Ahmed (Namen geändert)
von guinness44
Ahmed ( am Telefon): „Vater, Deutschland ist toll. Ich habe ein eigenes Haus und Arbeit habe ich auch. Es war eine gute Entscheidung.“
Ali: Ahmed, was redest Du? Du lebst in einer Turnhalle mit 200 anderen Flüchtlingen ohne Job.
Ahmed: Ich weiß, aber ich will nicht, dass sich meine Eltern Sorgen machen, nachdem sie soviel Geld für meine Flucht ausgegeben haben.
Wahrheit ist immer (auch) eine Frage der Perspektive
Tja, man kann sich sehr gut vorstellen wie der Vater allen Kritikern sagen wird, dass er es direkt von seinem Sohn gehört hat und der wird keine Lügen erzählen. Und schon machen sich die nächsten Menschen auf den Weg. Es macht aus deren Sicht einfach eine Menge Sinn.
Aber was soll denn ein Kind seinen Eltern sonst am Telephon sagen? Ich stinke, bin hungrig und kann nachts nicht schlafen? Bei aller Liebe und der Achtung vor Ihrem Gedankengang über dieses Telephonat, diese Lügen sind nicht neu. Jeder Gastarbeiter hat solche Gespinste nach Hause geschrieben, ich selbst habe Mama Löwenherz im ersten Jahr meines Weggehens gen Westen von schlaraffenlandigen Verhältnissen berichtet, wenn ich vom Kneipenputzen in meine Minikammer unters Dach zurückkam. Die sie mir nicht geglaubt hat, aber das nur am Rande…
Die Gründe, seine Heimat zu verlassen mögen uns vielschichtig erscheinen, doch im Grunde ist es immer das eine: Um besser zu leben. Und diesem Traum wird durch vorzeitiges Lobhudeln Vorschub geleistet, so denke ich aus eigener Erfahrung.
Bitte nicht mißverstehen, natürlich wäre es besser, die jungen Menschen blieben daheim und bauten sich in ihren Ländern Existenzen auf, aber da warten ja meist nur Waffen auf sie, viele aus deutscher Produktion.
Ach, ich könnte hier weiterheulen, aber auch das änderte nichts. Wir als Wohlständler müssen mit der bitteren Realität lernen zu leben, da hilft auch nicht, die Grenzen zu schließen.
Lieber Guinness, verzeihen Sie meine Broddelei, Sie wissen ja, wie heiß manchmal mein Herz schlägt.
Ihnen herzliche Grüße, Ihre Käthe.
Liebe Frau Knobloch, ich will diese Diskussion ja anstoßen. Es sind genau auch Erfahrungen wie Ihre, die wichtig sind. Und jedem in Erinnerung rufen, dass wahrscheinlich jeder von uns genauso handeln würde. Sie haben damals so gehandelt und ich würde es wahrscheinlich genauso tun.
Die Menschen, die sich jetzt erst auf den Weg machen, fällen ihre Entscheidung u U auf einer falschen Basis. Es ist ein sehr gefährlicher Weg, der dazu das ganze Vermögen einer Familie aufzehrt. Ich hatte noch ein weiteres Beispiel eines Flüchtlings aus Nigeria. Der hatte bereits mehrere Jahre in der Türkei gelebt und hatte einen Job beim Roten Halbmond. Er hat sich bewusst für Deutschland entschieden, da er hier mehr Zukunft für seine Kinder sieht. In der Turnhalle sinnierte er, ob das so eine gute Entscheidung war. Es wird keine einfache Lösung geben, aber es wird wichtig sein, den Menschen deutlich zu machen, dass es in Deutschland erst einmal hart wird bevor es besser wird.
Vielleicht sind die eigenen Erfahrungen sichteintrübend, ich weiß es nicht. Aber jeder, mit dem ich sprach, war sich der Gefahren der Flucht von vorneherein bewußt. Nun haben wir in Provinzanien keine Erstaufnahmelager, sondern Wohnheime für Asylbewerber. Das mag die Situation verändern. Doch bleibt jede Flucht ein gefährlicher Weg und natürlich auch ein monetär aufreibender.
Sie sehen die Menschen in Turnhallen sinnieren, ich mitten im Stadtbild auf der Suche nach dem nächsten Hotspot (Bjäch!) um Nachrichten von Zuhause zu erlangen. Ihr Beispiel vom nigerianischen Flüchtling, der sich gegen die Türkei und für Deutschland entschied, das ist doch nachvollziehbar, oder nicht? Seine Kinder haben hier die besseren langfristigen Chancen als da. Das leuchtet mir ein und ich agierte genauso. Ich muß schon wieder auf die eigene Erfahrung zurückgreifen, doch ich habe ja nur die:
Quer durch Deutschland ging die Odysses, immer auf der Suche nach dem besseren Job, weniger Ossiressentiments oder der erträglicheren Wohnsituation, ach…
Ich verstehe Ihre Position absolut und bin froh über das Aufnehmen dieser Thematik, aber ich sehe soviel Fremdenangst in Augen der Menschen, wo keine sein müßte. Und jeder, der seine Heimat verläßt, tut dies ganz sicher nicht ohne Grund. Die Gefahren sind ihnen sicher bewußt. Aber das schrub ich bereits. Dennoch tackere ich mir Ihre Gedanken in die eigenen Denkleiste ein.
Danke dafür, die Ihre.
Wissen Sie was? Es macht richtig Spaß mit Ihnen aber auch den anderen darüber zu diskutieren. Es Werden Argumente und Erfahrungen ausgetauscht. Obwohl man nicht immer einer Meinung ist, bleibt die Diskussion konstruktiv. Damit ist noch keinem Flüchtling geholfen und keinem die Fremdenangst genommen. Aber Rom wurde auch nicht an einem Tag gebaut.
Noch eine positive Erfahrung vom Wochenende. Ein kleines Flüchtlingskind war von seinem Bruder im Kinderwagen in der Sonne stehen gelassen. Also habe ich es aus der Sonne geschoben und mit dem Kind ( vielleicht ein Jahr alt) Deutsch gesprochen. Große Augen, die wahrscheinlich keinen Satz verstanden haben. Aber das gute alte Spiel, wo ich mir die Augen zuhalte, funktioniert auch ohne Worte. Da hat das kleine Kind gelacht.
Da hat das Kind in Ihren Augen wohl etwas gesehen, was es instinktiv als solches erkannte: Menschennähe statt Menschenfremde.
Danke für diesen Miteinblick und auch für die Denkleisteneinkerberei, es ist mir eine horizonterweiternde Ehre.
Ich sende Ihnen ein Lächeln dafür, immer die Ihre.